Oder: Warum wir alle Erfinder sind
Als ich vor einigen Jahren den größten Schirmladen der Stadt betrat, war ich aufgeregt. Ich hatte den Schirmpieper erfunden und wollte nun wissen, ob es einen Markt dafür gibt.
Der Inhaber war begeistert. Genau so ein Gerät hatte er sich seit Jahren gewünscht. Er würde mich unterstützen und den Schirmpieper in seinem Laden promoten und verkaufen. Ich war glücklich. Allerdings waren noch ein paar Hürden zu überwinden. Zunächst musste ich den Schirmpieper bauen – das heißt: bauen lassen, denn ich hatte ja keine Ahnung, wie man so was macht. Ich kannte zwar einige elektronische Bauteile, wusste aber nicht, welche infrage kommen und wie man sie richtig anordnet. Ein Gehäuse musste auch her. Von einem Produktdesigner würde ich es anfertigen lassen. Aber welche Maße sollte dieses Gehäuse haben? Mussten der Techniker und der Designer zusammenarbeiten? Und wie sollte ich meine Idee schützen? Ich sah den Techniker und den Designer und die eine oder andere Person mit meiner Idee durchbrennen. Mir wurde klar, dass ich den Schirmpieper zwar im Kopf hatte, aber noch lange nicht in der Realität. War es also schon eine Erfindung? Marijan Jordan von Erfinderhaus.de meint: ja. Jeder sei ein Erfinder, der eine Lösung im Kopf habe, die es so noch nicht gibt. (Ein Interview mit Marijan Jordan folgt nach diesem Artikel, Anm. Der Frager).
Ich fertigte also Zeichnungen an. Sprach vorsichtig mit Freunden und vertrauenswürdigen Personen. Die Idee: Das Gerät sollte aus zwei Teilen bestehen. Modul A am Schlüsselbund, Modul B am Schirm befestigt. Entferne ich mich vom Schirm, sendet B ein Signal an A. Die Sensibilität des Gerätes nach Distanz in Metern einstellbar.
Der Hintergrund: Ich hatte schon etliche Regenschirme stehen lassen. Eine nervige und teure Angelegenheit, wenn man sich nicht mit billigen Eintagsschirmen begnügen will. »Wahrscheinlich ist die Industrie an deinem Schirmpieper nicht interessiert. Die verdienen doch daran, dass Schirme vergessen werden«, meinte ein Freund. Da hatte er vermutlich recht. Das hatte ich auch schon gedacht, doch wieder verdrängt. Ich wollte aber nicht aufgeben. »Erfinder sind zähe Hunde. Die geben nicht gleich auf.« Ich machte mir Mut.
Ich schickte Briefe an verschiedene Hochschulen. Telefonierte hinterher. Studenten könnten die Lösung sein. Ich wusste, dass sie Geräte in Studien- und Diplomarbeiten entwickeln. Ich bekam nie eine Antwort. Ich gab Online-Anzeigen auf, in denen ich Elektro-Tüftler suchte. Keine Resonanz. Einen hatte ich im Netz gefunden, Bilder von vielen Lämpchen und Drähten auf seiner Website. Der Daniel Düsentrieb aus dem Ruhrgebiet. Der würde es bestimmt können. Aber: Er habe genug zu tun und leider keine Zeit. Schade.
So verging die Zeit. Meine Durchhalteparolen verblassten. Ein heißer Sommer – ohne Regen und ohne Schirme. Der Schirmpieper verschwand in den Archiven meines Kopfes. In der Ablage, ganz hinten bei den anderen Erfindungen. Dem digitalen Thermostat, dem Trinkwassersparer und der Software, die ich programmiert hatte – zur Erfindung von Namen für Fantasy-Romane, Budifanufel 2.0 genannt.
Viel später wurde mir klar, dass Erfinden viel mehr ist, als einfach »nur« eine Idee zu haben. Was mir in meinem Job als Konzeptioner leichtfällt und Spaß macht, ist bei Produkten schwierig. Aber auch, weil ich damit ein Gebiet betrat, das mit Formularen, Vorschriften und Gebühren zugepflastert ist. Erst vor Kurzem erfuhr ich von Erfinderhaus.de, dass sie Erfinder bei der Bewältigung dieser Hürden umfassend beraten.
Was ich euch also zum Schluss sagen will: Habt Mut. Gebt nicht so schnell auf, wenn ihr für eure Idee brennt. Bei der nächsten Erfindung wisst ihr schon mehr. Und für alle, die nur gerne Ideen haben: Das ist doch auch schön. Spinnt also ruhig rum.
Übrigens: Meinen Schirmpieper gibt es mittlerweile. Allerdings nicht von mir. Das Gerät heißt Kevin passt auf. Wer hat’s gemacht? Natürlich die Schweizer. Es passt nicht nur auf Schirme auf, sondern auch auf Taschen, Koffer, Laptops oder Handys. Prima. Viel Erfolg mit der Innovation.
Der Frager
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1 Kommentar
Wolfgang M. Epple
4. Oktober 2012 at 16:28Warum erfindet man immer Sachen, die der Mensch nicht braucht?
PS: Ihre Seite ist super – tolle Ideen – weiter so.