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Wibke Anton ist diplomierte Opern-, Konzert- und Liedsängerin. Heute arbeitet sie selbstständig als Präsentations-, Präsenz- und Stimmtrainerin. Online zeigt sie sehr anschaulich, warum ihr Programm »stimmig« heißt.

Wibke Anton im Interview mit dem Frager

Einfach mal durchatmen

Wibke Anton ist diplomierte Opern-, Konzert- und Liedsängerin. Heute arbeitet sie selbstständig als Präsentations-, Präsenz- und Stimmtrainerin. Besucht man ihren Instagram-Account, erlebt man eine sehr lebendige, leidenschaftliche und mutige Frau, die sehr anschaulich zeigt, warum ihr Programm »stimmig« heißt. Sie sagt: »Ich hatte während meines Studiums viel Schauspielunterricht und eine großartige Improvisationstruppe. Dort habe ich gelernt, Hemmungen abzubauen. Mir ist heute (fast) nichts mehr auf der Bühne peinlich! Es geht darum, sich im Training aus seiner Komfortzone herauszuwagen. Deswegen übertreiben wir in meinen Trainings auch immer wieder, gehen in Extreme. Da wird gerufen und geschnaubt, geprustet und vor allem ganz viel gelacht. Das lockert und entspannt. Und erinnert uns daran, dass wir alle Menschen sind, mit unglaublichen Fähigkeiten, doch eben nicht perfekt.«

Der Frager: Was würdest du jemandem raten, der schon morgens beim Aufstehen seine Stimmung verbessern will?

Wibke Anton: Auf jeden Fall, vor sich hin zu summen. Die Stimme liebt das Summen! Dadurch machst du auch gleich die Ränder deiner Stimmlippen sanft wach und Summen macht gute Laune. Also perfekt für den Tagesstart.

Wo hat dir dein eigenes Coaching das letzte Mal geholfen?

Vor ein paar Wochen habe ich als Speakerin an einer Online-Konferenz teilgenommen. Den Vortrag sollte ich vorher aufzeichnen und hochladen. Ich stellte mich dann live für Fragen zur Verfügung. Nun war jedoch gerade in diesem Moment das Internet so instabil, dass der Vortrag nur mit großen Lücken abgespielt werden konnte. Kurzfristig wurde zu einem Zoom-Meeting eingeladen, doch auch da stockte der Vortrag. Also wurde ich gefragt, ob ich meinen Vortrag spontan live halten könnte. Ich saß ungeschminkt und im Feierabend-Look vor dem PC.

Doch natürlich habe ich Ja gesagt, denn ich spreche einfach zu gerne über meine Themen Stimme und Präsentation. Also habe ich mich aufgerichtet, tief durchgeatmet und losgelegt. Das kam wahnsinnig gut an. Und ich war froh, dass ich mich eben auch spontan immer auf meine Tools Haltung, Atem, Stimme und Sprache verlassen kann – das sind die vier Tools, um die es in meinen Coachings immer wieder geht!

Fallen dir manchmal Stimmen in der Menge, im Kaufhaus oder im Zug besonders auf? Was sind das für Stimmen?

Ich achte oft auf Stimmen. Ich achte darauf, ob sie mich mich wohlfühlen lassen oder mich angespannt machen. Dann höre ich genauer hin und frage mich, warum das so ist. Piloten sind zum Beispiel oft sehr gut geschult. Das hat einen guten Grund. Wir sollen sie ungesehen für kompetent, souverän und vertrauenswürdig halten. Damit im Ernstfall keine Panik aufkommt.

Gibt es Stimmen, die du besonders interessant oder anziehend findest?

Oh, jetzt werde ich fast ein bisschen rot. Ich stehe auf den Klassiker, das sind tiefe, warme Männerstimmen. Ich wollte nur wegen seiner Telefonstimme schon mal mit einem Mitarbeiter von KölnTicket durchbrennen, doch der hat leider nur gelacht!

Gibt es eine Person des öffentlichen Lebens, eine Politikerin oder einen Politiker zum Beispiel, die oder den du gerne coachen würdest? Wenn ja, warum? Und was würde es im besten Fall bewirken?

Ich würde wahnsinnig gerne Claudia Roth coachen. Sie ist eine Frau, die sich mit Leidenschaft für ihre Überzeugungen einsetzt. Das mag ich. Doch diese Leidenschaft führt bei ihren Reden vor großem Publikum meist dazu, dass sie die Stimme hochschraubt und ich mich auch mit allerbestem Willen nicht mehr auf den Inhalt konzentrieren kann. Oder nur mit sehr viel Mühe, denn diese Frequenzen sind so unangenehm, dass sich meine Ohren verschließen. Danach fühle ich mich regelrecht erschöpft. Hängen geblieben ist kaum etwas von dem, was sie gesagt hat. Das geht anders! Auch wir Frauen können leidenschaftlich sprechen, ohne dabei auf eine angenehmen Stimme zu verzichten.

Wibke Anton im Interview mit dem Frager

In einem deiner Posts auf Instagram hat du Tipps gegeben, wie man in Konfliktsituationen durch richtige Atmung Spannung abbauen kann. Das hat mich fasziniert. Welche Erfahrungen hast du selbst damit gemacht? Was sagen deine Klienten (sagt man das – also Klienten:-)?

Diese Atmung habe ich das erste Mal bewusst während der Mediation mit meinem Ex-Mann eingesetzt. Früher fühlte ich mich meinen Emotionen in Streitgesprächen ausgeliefert, es hat mich regelmäßig in den Konfliktstrudel hineingezogen und eine konstruktive Lösung war kaum möglich.

Heute weiß ich, dass mir das ausführliche Ausatmen in solchen Gesprächen ein Anker ist. Das Ausatmen beruhigt mein System. Ich bekomme wieder Abstand. Boden unter die Füße. Und meine Stimme wieder einen sicheren und selbstbewussten Klang.

Ich war nach den Mediationsgesprächen unfassbar stolz auf mich und auf unsere Ergebnisse. Das war ein herausragendes Gefühl, daran kann ich mich noch heute gut erinnern.

Seitdem habe ich diese Technik ausgebaut und gebe sie an meine Klient*innen weiter. Ich habe erst gestern wieder eine Rückmeldung einer Teilnehmerin meines Online-Trainings bekommen, die vollkommen begeistert und etwas erstaunt über ein Gespräch mit einem »schwierigen« Kollegen berichtete. Sie sagte: »Das ist ja wirklich wie Magie!« Das freut mich natürlich sehr!

Ich habe mal gelesen, dass sehr viele Menschen ein verkrampftes Zwerchfell haben. Was bewirkt das? Und was rätst du zur Lockerung?


Das ist richtig. »Fest« oder »blockiert« nenne ich es. Jedenfalls ist es nicht mehr durchlässig und flexibel. Unser Zwerchfell ist unser Hauptatemmuskel. Es unterstützt uns bei der Atmung und beim Sprechen und es kann körperliche Verspannungen, wie zum Beispiel einen verspannten Nacken, mit lösen. Leider legen sich zum Beispiel Stress, zu viele Emotionen oder auch ungeweinte Tränen auf das Zwerchfell und schränken es ein. So kosten das Atmen und das Sprechen viel mehr Kraft, unsere Stimmen ermüden viel leichter.

Die beste Medizin ist: Lautes Lachen! Das löst das Zwerchfell ungemein. Lautes Weinen auch, doch das empfehle ich nicht so gerne. Doch wir kennen alle das gelöste Gefühl danach, wenn wir mal geweint haben.

Ansonsten kann ich Artikulationsübungen empfehlen. Setz dich zum Beispiel dazu aufrecht hin und sprich die Konsonanten p, t, k und f immer wieder kräftig hintereinander aus. Wichtig ist, dass du sie laut und kurz aussprichst. Wenn du nun deine Hände unter die Brust legst, kannst du das Zwerchfell auch sehr gut spüren.

Doch mach die Übung in Maßen, wie gesagt, sie löst auch Blockaden und es gilt ja auch auszuhalten, was sich dann zeigt.

Wibke Anton im Interview mit dem Frager

Wie integrierst du dein Stimm-Coaching und dein Wissen in deinen Tagesablauf? Wie muss man sich das vorstellen?

Es ist mir ungemein wichtig, dass meine Klient*innen das Gelernte sofort in den Alltag integrieren können. Ich zeige Übungen und sage sofort dazu, in welchen Alltagssituationen sich diese einbauen lassen. Zum Beispiel sollen sie ihre Stimme erst mal im sicheren Fahrwasser ausprobieren, also zum Beispiel an der Käsetheke im Supermarkt und nicht gleich bei der nächsten Gehaltsverhandlung.

Dazu kommt, dass kein Mensch (es sei denn sie ist Sängerin oder Schauspielerin) über Wochen täglich 30 Minuten Stimm- und Präsentationsübungen macht. Das wäre lobenswert, ist jedoch schlicht unrealistisch.

Ich arbeite nach dem BAU-Prinzip: Das B steht für »Beobachten«, das A für »Ausprobieren« und das U für »Umsetzen«. Erst einmal schauen wir, was ist. Dann biete ich Alternativen in meinen Übungen. Und sofort integrieren wir diese Alternativen Step by Step in den jeweiligen Alltag.

Ich gebe meinen Klient*innen zum Beispiel auch eine Mini-Atemübung mit an die Hand. Sie ist sehr effektiv und dauert nicht länger als 15 Sekunden. Die mache ich selbst immer im Auto, wenn an der Ampel mein Auto ausgeht. Dann gehe ich kurz mit »aus« und mache diese Übung. Herrlich! Oder auch, wenn ich im Supermarkt an der Kasse in der Schlange stehe. Oder wenn ich auf den Drucker oder den Wasserkocher warte. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, es macht meinen Klient*innen immer Spaß, danach auf die Suche zu gehen.

Du bist diplomierte Opern-, Konzert- und Liedsängerin. Singst du oft zu Hause laut vor dich hin? Oder sogar in der Öffentlichkeit? Oder würdest du das gerne tun?

Das mag jetzt vielleicht verwundern, doch ich singe gar nicht mehr. Mit klassischem Gesang verbinde ich auch immer wieder Druck und Perfektionismus, außerdem bin ich auf diesen Perfektionismus gedrillt. Wenn ich heute singe, genüge ich meinem inneren Kritiker nicht mehr. Ich weiß, das ist schade, irgendwann schau ich mir das nochmals in Ruhe an. Das ist die ehrliche Antwort auf diese Frage. – Hm, doch ja, im Auto singe ich meine Lieblingssongs mit – herrlich schräg und albern!

Was würdest du jemandem raten, der gerade in einer scheinbar total verfahrenen Situation steckt und glaubt, dass nichts mehr geht. Mitten in einer fast versemmelten Rede festhängt oder sich in einer Besprechung verfahren hat?

Wenn es möglich ist: Laut über sich lachen! Genau dieses »Versemmeln« zum Thema machen, aussprechen. Ich habe noch nie erlebt, dass sich damit nicht die Anspannung auflösen ließe. Außerdem fühlt dann jede*r mit, das kennen alle. Und das verzeiht dann auch jede*r. Es ist menschlich.

Dann würde ich mir Zeit nehmen, Luft holen und ausführlich alles an halb verbrauchter Luft aus meinen Lungen atmen und sie wieder mit einem tiefen Einatmen mit frischer Luft füllen. Und dann geht’s weiter!

Du bist ja auch Präsentationstrainerin. Was sind deine Kerngedanken auf diesem Feld?

Achte auf dein Präsentationsdreieck! In den Ecken stehen ES, DU und ICH. Von Anfang an, schon in der Schulzeit, haben wir gelernt, uns vor allem auf das ES zu konzentrieren. Also auf den Inhalt, die Struktur, den logischen Aufbau, auf Grafiken und die PowerPoint-Präsentation. Das tun wir in der Vorbereitung und darauf konzentrieren wir uns während der Präsentation.

Wichtig ist jedoch, dass wir auch das DU im Blick behalten. Dazu gehört, dass wir immer wieder Blickkontakt suchen und eine Sprache verwenden, die das Gegenüber versteht. Zum Beispiel habe ich früher bei Operneinführungen immer darauf geachtet, ob da eine Gruppe von Musikern vor mir sitzt oder Musiklaien und dann habe keine musikalischen Fachausdrücke benutzt.

Ganz wichtig ist jedoch vor allem das ICH. Dazu gehört in der Vorbereitung ein Abklopfen oder auch ein Wippen oder Hüpfen, um mich körperlich fit und wach und damit bereit zu machen, Atemübungen oder kurze Übungen, um meine Stimme aufzuwärmen. Und auch während der Präsentation geht es darum, immer mit einem Auge dieses ICH im Blick zu behalten.

Denn nur mit einem fließenden Atem und einer angenehmen Stimme kommt das Gesagte auch wirklich beim Gegenüber an. Das wissen inzwischen viele, doch kaum jemand kann es umsetzen, da die meisten von uns das schlicht nie gelernt haben.

Joe Biden hat früher stark gestottert und sich davon befreit. In Situationen, in denen er das noch versucht zu kompensieren, verliert er manchmal seinen Faden. Was würdest du ihm raten?

Ich denke, er braucht meinen Rat nicht, er hat schon wahnsinnig viel erreicht. Ansonsten würde ich auch mit ihm an Haltung, Atem, Stimme und Sprache arbeiten. Kennen wir sie, nutzen wir sie, dann dienen sie uns als Leuchtturm, Anker und Alarmsystem gleichzeitig. Sie geben uns viel Sicherheit. Wir können dann augenblicklich reagieren, wenn wir nur einen leisen Vorboten vom Stottern erahnen. Wichtig ist, dass wir uns dem nicht mehr ausgeliefert fühlen, sondern dass wir die Zügel wieder selbst in der Hand halten. Und das können wir durch die Verwendung dieser Tools erreichen.

Einige Menschen verlieren den Kontakt zu ihrem Publikum, weil sie nichts falsch machen wollen. So verlieren sie nicht nur den Kontakt, sondern auch große Teile ihrer Spontaneität und Kreativität. Was würdest du ihnen raten?


Du hast recht, so ein kontrolliertes Sprechen kann zum Zuhören wirklich grauenvoll langweilig und einschläfernd sein. Ich hatte während meines Studiums viel Schauspielunterricht und eine großartige Improvisationstruppe. Dort habe ich gelernt, Hemmungen abzubauen. Mir ist heute (fast) nichts mehr auf der Bühne peinlich! Es geht darum, sich im Training aus seiner Komfortzone herauszuwagen. Deswegen übertreiben wir in meinen Trainings auch immer wieder, gehen in Extreme. Da wird gerufen und geschnaubt, geprustet und vor allem ganz viel gelacht. Das lockert und entspannt. Und erinnert uns daran, dass wir alle Menschen sind, mit unglaublichen Fähigkeiten, doch eben nicht perfekt.

Welchen Beruf könntest dir noch vorstellen? Was würde dir gefallen? Es gibt keine Limits. Ich bin gespannt!

Ganz ehrlich? ich liebe meinen Beruf aus tiefstem Herzen. Diese Arbeit macht mich glücklich. Da fühle ich mich ich vollkommen in meinem Element. Ich mache genau das, was ich tun will. Ich habe dieses Jahr mein Angebot um ein Online-Training erweitert. Und wenn du mich nach meinen Träumen fragst:

Meine Tochter ist nächstes Jahr für ein Jahr im Ausland. Ich möchte in dieser Zeit für sechs Monate in Kanada leben, mein Englisch weiter verbessern und dann mein Angebot weltweit auf Englisch anbieten. Davon träume ich. Von überall aus arbeiten zu können und mein Angebot für alle zu öffnen. Ich bin zum Beispiel auch ein großer Frankreich-Fan, hach, bei diesen Gedanken geht mir gleich das Herz auf! Danke.

Der Frager bedankt sich bei Wibke Anton für das Interview.

Zur Website von Wibke Anton

Wibke Anton bei Instagram (sehr sehenswert)

Die im Beitrag gezeigten Fotos ©WibkeAnton

 

 

 

 

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Der Frager

Manfred Zimmer – Dipl. Inf., Texter/Konzeptioner ist Der Frager. Ob in der U-Bahn, beim Einkauf, beim Lesen der Zeitung oder online, im Leben des Fragers ploppen an jeder Ecke unzählige Fragen auf. Fragen, die gestellt werden wollen.

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