Ob Brecht getwittert hätte, wissen wir nicht. Offensichtlich entdecken aber immer mehr Schauspieler, Regisseure und Kulturschaffende die Social-Media-Welt für sich. So hatte das Maxim Gorki Theater Berlin dieses Jahr die Idee zu einer Facebook-Premiere mit dem Projekt »Effi Briest 2.0«.
Es geht also voran. Vorsichtig. Schritt für Schritt. Das ist eine große Bereicherung für die Webwelt – wie ich finde. Das meint Projektentwickler Hagen Kohn auch. Deshalb hat er zusammen mit Karin Janner (Projektentwicklerin) und Jochen Strauch (Marketingleiter – Thalia Theater) das erste Theatercamp für Hamburg entwickelt. Theater und Social Media am 11. November 2012 gemeinsam im Thalia in der Gaußstraße – das wird spannend. Warum das ganz bestimmt so ist, erfahrt ihr unter anderem auch hier. Der Frager im Interview mit Hagen Kohn.
Der Frager: Was ist die grundsätzliche Idee hinter dem Theatercamp? Wie kam es dazu?
Hagen Kohn: Das Theatercamp richtet sich an alle Kulturschaffenden und Kulturinteressierten, die sich zu den Themen Soziale Netzwerke, Social Media Marketing und deren Integration in verschiedene Arbeitsbereiche austauschen oder sie entdecken möchten. Der Ursprung liegt in der Tradition der Barcamps. Dass sind die spontanen Un-Konferenzen der Social-Web-Szene, die sich mit den stARTcamps auch im Kulturbereich etabliert haben. Die Idee haben Karin Janner und Jochen Strauch vom Thalia Theater auf einer der letzten stARTconferences entwickelt. Ich selbst bin seit September Mitglied im Organisationsteam.
Im Theatercamp treffen Webexperten und Blogger auf Schauspieler, Regisseure und andere Kulturschaffende. Ein spannender Mix. Sind Theaterleute eher technikscheu oder ist das ein Klischee?
Die Kulturbranche ist grundsätzlich nicht so webaffin wie andere, da sehe ich einigen Nachholbedarf. Unter den Schauspielern sind sicher schon viele aktiv, das Problem liegt eher bei den Einrichtungen selbst. Hier wird das Potenzial von Social Media – gerade für Premium-Content-Produzenten, wie Theater es sind – noch unterschätzt. Ich hoffe, wir können hier mit dem Theatercamp Impulse setzen.
Auf der Thalia-Website wird bei der Ankündigung des Theatercamps schon mal im Vorfeld gefragt: Wie viel Einblick in unser Tagesgeschäft wollen wir eigentlich gewähren? Diese Frage hat mich sehr erstaunt. Welche Bedenken stecken dahinter?
Viele Kultureinrichtungen haben Angst, zu viel von sich preiszugeben, zum Beispiel im Vorfeld einer Premiere. Dabei sind die einschlägigen Social-Web-Kanäle geradezu prädestiniert, den künstlerischen Entstehungsprozess einer Produktion zu begleiten. Da muss nicht jedes Foto oder Probenvideo high-end produziert sein. Das Entscheidende ist, die Leute mitzunehmen und zu begeistern. Das Maxim Gorki Theater Berlin beispielsweise hatte dieses Jahr die Idee zu einer Facebook-Premiere, dazu wird es übrigens auch eine Session geben.
Ihr habt 20 Sessions im Programm – an einem Tag. Auf welche freust du dich besonders?
Das kann ich bei dem vielseitigen und spannenden Programm wirklich nicht sagen. Ich selber werde zusammen mit Karin Janner ein öffentliches Strategie-Coaching mit einem noch zu bestimmenden Theater machen – da freue ich mich sehr drauf!
In deinem Twitterprofil steht: »Hagen Kohn beschäftigt sich mit Musik, Kulturmanagement und Social Media Strategien.« Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Meine Basis bleibt erst mal das Musikerportal Vioworld, daneben möchte ich meine eigenen Projekte wie Timeline e. V. weiter voranbringen. Ich merke gerade, dass es mir großen Spaß macht, Events zu veranstalten und Leute zusammenzubringen.
Du darfst dir bei einer guten Fee ein Projekt wünschen – welches wäre das?
Ein Theatercamp veranstalten zu dürfen. Im Ernst: Wir möchten im nächsten Jahr was Größeres in Berlin veranstalten. Lasst euch überraschen!
Vielen Dank für das Interview an Hagen Kohn.
Der Frager wünscht dem Theatercamp viel Erfolg.
Links: Theatercamp, Thalia Theater Hamburg
Der Frager
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7 Kommentare
Hagen Kohn
7. November 2012 at 12:28Kleine Anmerkung: Konzipiert wurde das Theatercamp von Karin und Jochen (Hut ab!), ich bin seit September im Orga-Team.
Danke für das Interview!
Karin Janner
8. November 2012 at 13:59Hallo, danke für das schöne Interview zu unserer Veranstaltung! Kleine Anmerkung: Ich (Karin Janner) arbeite nicht beim Thalia Theater, ich bin wie Hagen Social Media Berater / Projektentwickler und habe nebenher gemeinsam mit ihm den gemeinnützigen Verein timeline http://timel-ne.de gegründet, über den wir z.B. das Theatercamp (in Kooperation mit dem Thalia Theater) organisieren. Jochen Strauch ist Marketingleiter beim Thalia Theater.
Lieber Frager, sehen wir uns beim Theatercamp? Ich würde mich freuen, Dich kennen zu lernen!
Viele Grüße, Karin
Der Frager
8. November 2012 at 14:31Hallo Karin!
Danke für dein Feedback. Ich habe es korrigiert.
Viel Erfolg mit dem Theatercamp.
Der Frager
Der Frager
8. November 2012 at 14:32Hallo Hagen!
Ein sehr schönes Projekt. Danke für die Antworten.
Grüße vom Frager
Jochen
8. November 2012 at 15:16Ich glaube, das Thema „Wieviel Einblick?“ hat weniger mit High-End-Qualität zu tun, sondern mit Schutzräumen. Das ist die spannende Frage: Wieviel Anteile eines Probenprozesses „darf“ man zeigen? Wann „entzaubert“ man das Produkt? Wann heizt man Neugier an? Wann gibt man wichtige Hintergrundinfos? Und wann zerstört man den intimen künstlerischen Schaffensprozess einer Probe? Über solche Fragen debattieren wir quasi nonstop. Manche Regisseure lieben es, vorab feedback zu bekommen, bei anderen wäre da sofort der Ofen aus, wenn sie vor der Premiere schon „veröffentlichen“ müssen… Mehr davon beim Theatercamp!
Der Frager
8. November 2012 at 17:20Hallo Jochen!
»Schutzräume… Entzauberung« Das sind auch aus meiner Sicht wichtige Aspekte. Die Diskussionen finden statt. Das ist gut. Da gibt es in Zukunft bestimmt noch viele Entwicklungen/Überraschungen.
Der Frager
barbara
11. November 2012 at 11:28Ich bin Theater-Fan und durch meinen Beruf in einigen Social-Netzwerken unterwegs. Ich finde es sehr spannend, dass das Theater für sich nun auch diesen Weg eröffnet. Für mich persönlich wird ein Theaterstück dann interessant, wenn ich einen Ausschnitt sehe oder aber ein Interview mit dem Regisseur z. B. höre, in dem er die Herangehensweise erklärt. Es geht um die Auseinandersetzung inhaltlicher Natur, die ich kaum mit FB und Konsorten abdecken kann. Dafür anderes.